Vor einiger Zeit habe ich in einem durchaus bemerkenswerten Strafverfahren verteidigt, welches mittlerweile rechtskräftig abgeschlossen ist und erfreulicherweise mit einem Freispruch in zweiter Instanz vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth endete.
Der Mandant kam zu mir mit einem Strafbefehl wegen Beleidigung. Der Sachverhalt veranlasst durchaus zum Schmunzeln. Nach einem Eishockeyspiel soll er einen Polizeibeamten dadurch beleidigt haben, dass er lautstark den Fangesang "Alle Bullen sind Schweine" skandierte und ihm dabei in die Augen gesehen habe. Es kam, wie es kommen musste: Der zutiefst gekränkte Polizist ließ Strafantrag stellen und es wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, welches in ebendiesen Strafbefehl mündete.
In Wirklichkeit trug es sich allerdings dann doch ein wenig anders zu: Der Mandant hatte gerade vom Ergebnis des Eishockeyspiels der in Fankreisen verhassten Mannschaft EHC Red Bull München gehört, welche zur allgemeinen Verärgerung gewonnen hatte. Ein anderer Fan stimmte den in Eishockey- und Fußballstadien bestens bekannten Fangesang "Alle Bullen sind Schweine" an, der eben gerade auf Mannschaften bezogen ist, die von der österreichischen Red Bull GmbH gesponsert werden. Der - im Übrigen auch nicht ganz nüchterne - Mandant riss die Arme nach oben und stimmte sogleich ein, nahm aber zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Polizisten im Umkreis wahr. Dies tat er erst, als er den Ausruf bereits getätigt hatte. Er verstummte augenblicklich, doch für das Verständnis eines anwesenden Beamten war dies bereits zu spät.
Ich legte daher Einspruch ein und es kam zur Verhandlung vor dem Amtsgericht Nürnberg. Bei einer solchen Lappalie sollte doch zumindest eine Einstellung, gegebenenfalls gegen eine symbolische Geldauflage drin sein - dachte ich. Aber weit gefehlt, der Amtsrichter machte unmissverständlich klar, dass so etwas überhaupt nicht gehe und man keine Gnade kenne, wenn ein Polizeibeamter der "Geschädigte" ist.
Also auf in die zweite Instanz! Erfahrungsgemäß sind im Berufungsverfahren oftmals tragfähige Ergebnisse zu erzielen, auch wenn vor dem Amtsgericht kein Blumentopf zu gewinnen war. Doch auch vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth sollte es alles andere als leicht werden. Bereits im Vorfeld hatte ich die Berufung schriftlich unter Aufführung diverser Entscheidungen von BGH und BVerfG ausführlich begründet, denn es sollte nichts dem Zufall überlassen werden. Zu Beginn der Hauptverhandlung regte ich dann auch gleich ein Rechtsgespräch an, um die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung zu eruieren. Doch der Staatsanwalt wollte nicht mitspielen. "Nicht bei Polizeibeamten!", machte er mir klar. Nun gut, wenn die Staatsanwaltschaft nicht mitspielt, dann eben nicht. Auch wenn ich bis dahin davon ausging, dass die Strafprozessordnung deutschlandweit für alle gilt - Sondervorschriften, welche eine Verfahrenseinstellung verbieten, wenn ein Polizist der "Geschädigte" ist, waren mir schlichtweg nicht bekannt.
Aber Spaß beiseite, dann musste eben durchverteidigt werden. Diverse Beweisanträge wurden gestellt und die Verhandlung dauerte schlussendlich mehr als doppelt so lange wie geplant. Vorsitzender und Staatsanwalt waren gelinde gesagt ziemlich genervt. Doch am Ende stand dann das erlösende Resultat: Freispruch! Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass der im Strafbefehl niedergelegte Sachverhalt sich tatsächlich so zugetragen hatte - so die lapidare mündliche Urteilsbegründung. Der Mandant war jedenfalls überglücklich und eines hat sich einmal wieder bewahrheitet: Verteidigung ist Kampf - und Kämpfen lohnt sich!